Einspruch per E-Mail ohne Lesebestätigung
Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. April 2025 (Az. VI R 2/23) behandelt die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beim Einspruch gegen Steuerbescheide, wenn der Einspruch per E-Mail eingereicht wurde, ohne dass eine Empfangs- oder Lesebestätigung angefordert wurde. Das Unterlassen der Anforderung einer Empfangs- oder Lesebestätigung beim Versand eines Einspruchs per E-Mail hat keinen Einfluss auf das Verschulden an einer Fristversäumnis im Rahmen eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Der Kläger hatte die Einspruchsfrist gegen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2015 bis 2017 versäumt, da er den Zugang der Einspruchs-E-Mail beim Finanzamt nicht nachweisen konnte. Ein Ausdruck der E-Mail zum Nachweis der Absendung reicht nicht aus, es muss der tatsächliche Zugang belegt sein. Das Finanzgericht gewährte dem Kläger jedoch Wiedereinsetzung, weil er ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Das Versandrisiko einer E-Mail liegt außerhalb der Verantwortlichkeit des Absenders, wenn er die erforderliche Sorgfalt walten ließ. Die Revision des Finanzamts wurde zurückgewiesen. Der Kläger durfte seine Frist nachholen.
Ausführungen zur Zugangsproblematik
Der rechtzeitige Zugang einer E-Mail setzt voraus, dass sie auf dem E-Mail-Server des Empfängers abrufbar ist. Die bloße Absendung oder Ausstellung eines Ausdrucks der E-Mail beweist dies nicht.
Der Absender muss nicht eine Empfangs- oder Lesebestätigung einholen, um ein schuldloses Verhalten und damit einen Anspruch auf Wiedereinsetzung zu begründen. Nach aktueller Rechtslage ist der „elektronische Postgang“ ausreichend für den fristgerechten Zugang. Technische Störungen bei der Nachrichtenzustellung können ein Verschulden des Absenders ausschließen.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil schafft Rechtssicherheit bei der digitalen Kommunikation mit Finanzämtern und entlastet Steuerpflichtige und ihre Vertreter von der Pflicht, für jede per E-Mail versandte Steuererklärung oder Einspruch eine Lesebestätigung zu verlangen. Es bestätigt, dass technische Risiken und Empfangsprobleme beim Versand per E-Mail von außen zu tolerieren sind, solange der Absender sorgfältig gehandelt hat.
Diese Entscheidung ist grundlegend für die elektronische Verfahrenskommunikation mit Finanzbehörden ab dem Jahr 2025 und stärkt den Schutz des Steuerpflichtigen vor Nachteilen durch technische Probleme im E-Mail-Verkehr.
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